Erfahrungsbericht Sony Minidisk Walkman MZ-N710

Kurzfassung:

Gutes Gerät, schlechte Software, zum Aufnehmen auf PC leider nicht geeignet.


Technische Daten:
  • portabler Minidisc Recorder
  • Maximale Download Geschwindigkeit 32X USB (LP4 mode) von PC auf MD
  • Aufnahme von maximal 5h 20min auf eine 80er MD
  • 200 Sekunden G-Protection
  • LCD Anzeige am Walkman (9 Zeichen)
  • Gewicht: 108 g (ohne Akku)
  • Größe: 78.9 x 72.2 x 15.9mm
  • Gehäusedeckel aus Aluminium, Rest Kunststoff
  • mit USB Kabel, Ladestation, LCD-Kabelfernbedienung, Kopfhörer, Ni-MH Flachakku, Batteriefach, Netzadapter, Optischem Kabel, Tragetasche
  • mitgelieferte Software Sonic 1.5 ist nicht MAC kompatibel


Bericht:

Zwei Dinge unterscheiden den Mindisk-Walkman MZ-N710 vom günstigeren Modell 510:
  • Die Anzeige in der Fernbedienung
  • Der Mikrofoneingang

Ob einem eine Anzeige in der Fernbedienung den wesentlichen Mehrpreis zum billigeren Modell 510 wert ist, mag jedem selbst überlassen sein. Das Mikrofon jedenfalls sollte nicht Grund für die Kaufentscheidung sein. Den Entwicklern von Sony ist es nämlich gelungen, den Mikrofoneingang seiner Funktion zu berauben.

Ein Mikrofoneingang ist nützlich - könnte man meinen: Man kann mit dem kompakten Gerät Interviews aufnehmen, die eigene Band, Chor oder Orchester, Reden auf Familienfeiern - was auch immer. Man lädt die Aufnahmen per USB auf den Rechner und könnte sie nachbearbeiten und auf CD brennen. Das wäre praktisch. Und all das würde auch funktionieren, wäre Sony beim Kopierschutz nicht weit über das Ziel hinausgeschossen:

Um nicht erlaubtes Kopieren von Musk zu verhindern, begrenzt die mitgelieferte Software das Vervielfältigen eines Stückes per USB auf Mindisk auf wenige Male. Nun gut, das mag man noch akzeptieren.
Aber umgekehrt ist es übel: Vom Walkman lassen sich nur Stücke auf den Rechner überspielen, die vorher bereits auf dem Rechner waren. Damit will Sony offensichtlich unerlaubtes Kopieren von Musik eingrenzen. Auch das ist noch nachvollziehbar. Und doch schießt Sony hier weit über das Ziel hinaus:

Man kann keine eigenen Mikrofonaufnahmen per USB auf den Rechner übertragen. Und das ist in der Tat eine Zumutung! Das Recht meiner privaten Mikrofonaufnahme liegt bei mir und ich darf diese natürlich auf den Computer überspielen. Man muss sich fragen, ob ein Gerät das 200-300 Euro kostet und in dieser Funktion absichtlich beschnitten ist, wirklich sein Geld wert ist!

Das Unverständnis für diese Beschränkung ist um so größer als alle Minidisk Rekorder digitale Aufnahmen markieren und die Erkennung der analogen Mikrofonaufnahme problemlos möglich wäre. Bezeichnend, dass diese Beschränkung im Datenblatt nicht ausdrücklich erwähnt ist und dass sie selbst in der Bedienungsanleitung erst irgendwo hinter Seite 100 (!) schamhaft angedeutet wird.

Noch ein Wort zur mitgelieferten Software 'Sonic':
Sie ist ganz gekennzeichnet vom Bestreben, Kopieren von Musik zu beschränken. Im Recht gilt 'Im Zweifel für den Angeklagten'. Sony kehrt dieses Prinzip um. Jede Musikdatei ist in den Augen von Sonys Software kommerziell und darf nur wenige Male kopiert werden ('Ein- und Auschecken' wie Sony es nennt). Egal, ob Oma für den Sprössling selbstgesungene Lieder aufgenommen hat oder ob es sich um Aufnahmen der eigenen Band handelt. Sony behandelt alles wie gekaufte Musik und begrenzt das natürlich erlaubte (!) Kopieren der eigenen Aufnahme nach Sonys Gutdünken. Das ist schon starker Tobak!


Ohnehin hat die Software 'Sonic' den ein oder anderen Haken:

Umlaute: mal geht's, mal nicht... Das beginnt mit der Installation. Auf meinem neuen und daher noch völlig sauberen XP-System blieb sie reproduzierbar bei etwa 90% hängen. Ursache war eine tatsächlich unsichtbare Meldung des Programms. Erst durch einen zufälligen Mausklick auf den unsichtbaren Button ließ sich die Installation fortsetzen.

Die Benutzeroberfläche ist zwar schick gestaltet, hält sich aber an keinerlei Konventionen und ist deshalb nicht gerade intuitiv zu bedienen. Klassische Menüs meiden die Entwickler, belegen Standardvorgänge mit neuen, selbsterdachten Begriffen und verstreuen bunte Knöpfe fröhlich auf der Programmoberfläche. In welcher Reihenfolge sie gedrückt werden sollen, und was sie bedeuten mögen, bleibt häufig offen. Mancher mag ein solches Knopfadventure mögen, aber einer schnellen Benutzung kommt das nicht entgegen.

Importfenster Bezeichnend auch, wie die Namen von importierten Dateien angezeigt werden: Statt beispielsweise 'Omas Gute Nacht Geschichten.WAV" anzuzeigen, versucht Sonic, den gesamten Pfad mit anzuzeigen, mit dem glorreichen Ergebnis 'C:\Dokumente und Einstellungen'. Danach reicht der Platz im Anzeigefenster (das sich natürlich nicht vergrößern lässt) nicht mehr aus. Nur der 'Mouse-over Tip-Text' lässt einen erahnen, was sich unter den zwanzig angezeigten gleichnamigen 'C:\Dokumente und Einstellungen' verbirgt. Es hat nicht den Anschein, dass die Entwickler ihre eigene Software einmal benutzt haben...

Selbstredend, dass Sony auch bei den Dateiformaten zwar WAV und MP3 importieren mag, danach aber alles in eigene Formate umwandelt. Das hindert den bösen Benutzer am Zugriff auf seine eigenen Dateien. Bei den Umständlichkeiten, nicht durchdachten technischen Realisierungen und Zumutungen für den Benutzer wundert es einen dann kaum noch, dass die Software mit solchen Details wie deutschen Umlauten nicht immer klarkommt.

Eine E-Mail Anfrage beim Support von Sony, welchen Weg sie vorschlagen, um Mikrofonaufnahmen zu übertragen, blieb unbeantwortet. Die telefonische Hotline (12 Cent/Minute) speiste mich mit automatischen Ansagen und Wartemusik ab, bis es mir zu teuer wurde.

Genereller Eindruck:
Es soll nicht unterschlagen werden, dass das Gerät als Walkman gute Dienste leistet. Das Überspielen von Musik per USB auf den Walkman geht zügig vonstatten (bis auf die Unständlichkeiten der Software), der akustische Eindruck der Wiedergabe ist sehr gut. Als etwas störend habe ich das zeitweise laute Laufgeräusch des Players empfunden.

Anzeige und Fernbedienung: Die Anzeige in der Fernbedienung halte ich für verzichtbar. Diejenigen Funktionen, die die Anzeige wirklich dringend benötigen, wie z.B. Editierfunktionen, können ohnehin nur über die Tasten am Walkman und die dortige Anzeige bedient werden. Generell ist es etwas lästig, dass sich die Bedienung des Walkmans über die Tasten am Gerät von der Bedienung über die Fernbedienung unterscheidet. Auch sollte erwähnt werden, dass die Tasten bei dem hochintegrierten Gerät sehr klein ausgefallen sind und daher für Grobmotoriker nicht geeignet sind.

Als Ein/Ausgänge stehen Optical Line In, Line In (Analog), USB, Mic zur Verfügung. Da die Software es nicht erlaubt, eigene Mikrofonaufnahmen per USB Port zu Überspielen, fehlt mindestens ein analoger Ausgang. Hier hat Sony nicht zuende gedacht.

Fazit:
Der MZ-N710 hätte ein tolles Gerät werden können. Aber diesen überzogenen Kniefall vor der Musikindustrie sollte man als Kunde nicht mitmachen, und einige der technischen Unzulänglichkeiten der Software empfinde ich als Zumutung. Ich würde dieses Gerät als Aufnahmegerät nicht wieder kaufen. Für Benutzung als reines Wiedergabegerät tut's auch das günstigere Model 510.



Hinterher ist man immer schlauer. Die internationale Netzgemeinde ärgert sich schon länger als ich:

http://www.minidisc.org/upload_petition_collected_350.html

http://www.musiclub.sonystyle.com/community/thread.jsp?forum=4&thread=8697

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April 2003


E-Mail: ulfimwww@gmx.de- Realname: Ulf Hinze